BIESWANG  - Die Fußballsaison 2003/04 ist bislang alles andere als wunschgemäß verlaufen: Sportgerichtsfälle am laufenden Band, eine wahre Flut an Platzverweisen (vor allem in der A-Klasse Süd) sowie zunehmende Aggressionen und Gewaltbereitschaft auf den Fußballplätzen kennzeichnen die aktuelle Spielzeit fast mehr als sportliche Leistungen.
Was ist in dieser Situation nahe liegender, als sich zusammenzusetzen und die Probleme anzusprechen? Im Jura Süden ist dies jetzt beim so genannten "Fußball-Stammtisch" geschehen. Vertreter der Schiedsrichtergruppe, Funktionäre aus ca. 25 Vereinen sowie Gruppenspielleiter Wilfried Kleemann diskutierten dabei im Sportheim der SF Bieswang recht offen und sachlich die momentanen bzw. die generellen Schwierigkeiten im diffizilen Verhältnis der Sportclubs zur Zunft der Referees. Letztmals hatte es eine derartige Zusammenkunft 1994 in Wettelsheim gegeben.
Kritik am arroganten Auftreten
Klar war von vorneherein, dass auch dieser neue Anlauf nicht der Weisheit letzten Schluss bringen würde, doch zum besseren gegenseitigen Verständnis hat die lockere Diskussionsrunde auf jeden Fall beigetragen. Mehrere Vereinsvertreter nutzten die Gelegenheit, um vor allem das "arrogante Auftreten" einiger Schiris zu beklagen. Des Weiteren ärgern sich Vereine oftmals über nachträgliche Meldungen, wobei die Angaben einiger Referees teilweise sehr einseitig, ungenau und mitunter auch schlichtweg unwahr seien. Viele Vereine verspüren hier eine regelrechte Ohnmacht getreu dem Motto "Machen kann man eh' nichts dagegen", wie es Thomas Archinger vom SV Cronheim formulierte.
Schiedsrichterobmann Hans Jäger, der den Abend initiiert hatte, zeigte durchaus Verständnis für die Vereine. Er forderte die Funktionäre deshalb auf, entsprechende negative Vorfälle bei ihm bzw. bei Wilfried Kleemann zu melden. "Wenn sich die Beschwerden über einen Schiedsrichter häufen, müssen wir die Konsequenzen ziehen und aussortieren." Zudem gebe es die Möglichkeit, bestimmte Referees nicht mehr zu einem Verein zu schicken. Auch Kleemann legte den anwesenden Spielleitern und Trainern aus dem Jura Süden ans Herz: "Gravierende Sachen müssen wir erfahren."Bei aller berechtigten Kritik an Schiedsrichtern darf man auch die andere
Seite nicht vergessen. Vielfach werden die Referees gnadenlos beschimpft und beleidigt, sie sind massiven Aggressionen ausgesetzt und sind manchmal "die ärmste Sau am Platz" (Jäger), weil sie aus ihrem jeweiligen Blickwinkel nicht alles sehen können. Deshalb warb Hans Jäger auch um Verständnis für die Unparteiischen, die es nicht immer leicht haben. "Wir wissen, dass wir Fehler machen, die Vereine müssen aber auch auf ihre Spieler und Zuschauer einwirken, dass die Aggressionen künftig wieder eingedämmt werden."
Dass etliche Zuschauer, Trainer und Spieler keine Kinder von Traurigkeit sind, belegen nach den Worten von Gruppenspielleiter Kleemann einerseits die vermehrten Sportgerichtsfälle, andererseits aber auch die aktuelle Karten-Bilanz. Die traurige "Elite-Klasse" ist in dieser Hinsicht die A-Klasse Süd. Obwohl noch nicht einmal die Vorrunde vorbei ist, wurden hier schon 52 Platzverweise (14 Mal Rot, 38 Mal Gelb-Rot) registriert. Zum Vergleich: In der gesamten vergangenen Runde waren es 62 Platzverweise.
Der frühere Gruppen-Lehrwart Werner Huber bat darum, den Schiedsrichtern Fehlern zuzugestehen. Gerade bei den Reserven werde oft so hartnäckig gekämpft, dass man eigentlich nur erfahrene Referees einsetzen könne. Doch gerade hier sollte man junge Leute an den Seniorenspielbetrieb heranführen.Andreas Heid, Trainer des TSV Pfofeld, sagte in diesem Zusammenhang, dass man gerade auf junge Schiris nicht losgehen dürfe. Er fordere sein Team permanent auf, gegenüber den Schiedsrichtern ruhig zu sein und hat insgesamt gute Erfahrungen gemacht: "Wir sind ziemlich zufrieden mit den Referees." Dass verstärkt der Nachwuchs zum Einsatz kommt, hat einen einfachen Grund: "Unsere Gruppe ist überaltert", räumte Jäger freimütig ein. Daher müsse die Gruppe Jura Süd konsequent verjüngen. Das sei ein ganz normaler Vorgang, denn auch die Vereine versuchen in ihren Mannschaften junge Leute einzubauen. Dass es gerade die aufstrebenden Jung-Schiedsrichter nicht selten übertreiben, gab der Obmann ebenfalls zu: "Die jungen Schiris, die in der Förderung drin sind, sind scharf wie eine Rasierklinge und kaum zu bremsen. Was die machen, ist uns auch nicht immer recht." Vielleicht sollten sich manche vermeintliche Pfeifen-Talente in dieser Hinsicht den Vorschlag eines Vorsitzenden zu Herzen nehmen: "Man kann auch gut pfeifen, ohne es sich raushängen zu lassen."
Vereine sind gefordert
Alles in allem sind die Probleme auf den Fußballplätzen nur gemeinsam zu lösen, denn Vereine und Schiedsrichtergruppe sind sich letztlich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. "Wir können nur die Schiedsrichter ausbilden und einsetzen, die die Vereine zu unseren Lehrgängen schicken", sagte Jäger an die Adresse der Vereine. Man könnte es auch überspitzt formulieren: Wer Pfeifen zum pfeifen schickt, darf sich hinterher nicht beschweren.
In der Diskussion wurden auch Klagen über zu hohe Geldstrafen von Seiten des Bayerischen Fußballverbandes laut. Da drängt sich manchem der Verdacht auf, dass der BFV auf diese Weise u. a. sein finanzielles Desaster mit der Sportschule Oberhaching aufarbeiten will.Am eigentlichen Spielbetrieb gab es keine Beanstandungen, es wurde lediglich die Frage aufgeworfen, ob man künftig nicht im August bzw. September mehr Spieltage einlegen könnte, um der schlechten Witterung im Winter aus dem Weg zu gehen. Bei der jüngsten Spielleitertagung war ein derartiger Vorschlag noch abgelehnt worden. Wilfried Kleemann will das Thema jedoch bei der nächsten Sitzung wieder aufgreifen.Der Fußball-Stammtisch wird auf Grund der positiven Resonanz wohl zur regelmäßigen Einrichtung werden. Ein- bis zwei Mal im Jahr will man in wechselnden Sportheimen zusammenkommen, um aktuelle Themen und Probleme zu debattieren. Das ist ganz im Sinne von Initiator Hans Jäger: "Wir wollen die Zusammenarbeit mit den Vereinen verbessern."
UWE MÃœHLING